In der aktuellen Ausgabe des Magazins „Computerworld“ spricht CREALOGIX CEO Oliver Weber über die digitale Reife des Finanzplatzes Schweiz, Open Banking und die Pläne für die Zukunft. Lesen Sie hier eine gekürzte Form des Interviews.
CREALOGIX wurde vor 25 Jahren gegründet. Damals waren Sie noch nicht dabei. Welchen Job hatten Sie vor 25 Jahren?
Vor 25 Jahren bin ich das erste Mal in die Schweiz gezogen. In Baden hatte ich einen Job in der Finanzabteilung des Forschungszentrums von ABB. Ich kam schnell in Kontakt mit den Wissenschaftlern an dem Standort. Ich war beeindruckt von den Fortschritten zu Überlegungen, wie Fertigungsschritte automatisiert und auch digitalisiert werden können.
Zum Beispiel gab es in der Fliessfertigung – beim Beschichten und Bestücken von Platinen – ein Lochkarten-basiertes System. Es wurde just zu dieser Zeit ersetzt durch einen Rechner, was ein grosser Change für die Produktion und die Mitarbeitenden war. Riesige Stapel von Lochkarten waren nun überflüssig, denn ein Computer konnte die Steuerung ebenso gut übernehmen. Die Angestellten hatten mehr Zeit für andere Arbeiten und die Produktion wurde immens beschleunigt.
Das Ablösen von Lochkarten wäre auch eine digitale Transformation. Wie würden Sie aus heutiger Perspektive die digitale Transformation definieren?
Die digitale Transformation ist eine signifikante Veränderung der Geschäftsmodelle. Aus meiner Perspektive wird kein Stein auf dem anderen bleiben, jedoch ist der Prozess erst am Anfang. Die Treiber dieser Entwicklung sind zwei Faktoren: erstens der Konsument, der den digitalen Kanal wie selbstverständlich nutzt. Und zweitens die fundamentale Veränderung der bestehenden Prozesse und Strukturen innerhalb der Unternehmen. Hier schlummert zum Beispiel in der Finanzindustrie noch ein enormes Potenzial. Während sich die Banken im Frontend einigermassen gleichförmig entwickeln – sprich: alle ein modernes Interface anbieten –, gibt es im Backend grosse Unterschiede beim Reifegrad der Digitalisierung. Ich rechne damit, dass durch die Digitalisierung in den nächsten Jahren die Kosten um 30 bis 50% gesenkt werden.
Für eine Kostenreduktion in dem genannten Umfang muss viel geschehen im Backend.
Korrekt, es muss viel modernisiert werden im Backend. Die Technologie dafür ist allerdings heute bereits vorhanden. Fintechs wie Mambu oder Thought Machine haben Alternativen zu den traditionellen Kernbankensystemen in der Cloud implementiert und ziehen damit durchaus grosse Namen an. Auch die Schweizer Banken werden in nächster Zeit vermehrt mit der Idee lustwandeln, anstatt mit dem althergebrachten Anbieter weiterzufahren, allenfalls auf ein Fintech zu setzen. Ich erwarte sehr grosse Veränderung in den kommenden Jahren.
Welche digitale Reife hat der Finanzplatz Schweiz – auch im Vergleich mit dem Ausland?
Zuerst einmal ist der Finanzplatz Schweiz sehr attraktiv. Hier werden mit hochpreisigen Produkten hohe Margen generiert, was ihn zu einem interessanten Markt auch für Fintechs macht.
Allerdings würde ich den Finanzplatz Schweiz nicht unbedingt als Vorreiter bei der Digitalisierung bezeichnen. Die Institute bewegen sich international gesehen im Mittelfeld. Schon in Deutschland gibt es Banken, die viel grössere Fortschritte gemacht haben bei der digitalen Transformation. Ein Beispiel ist ein Grosskunde von uns: die Deutsche Kreditbank DKB. Sie zählt heute 4,5 Millionen Kunden und ist weiter auf Wachstumskurs.
In der Schweiz sind die Banken hingegen vielfach immer noch davon überzeugt, dass sie alle Funktionen und Produkte selbst am besten aufbauen können. Der Widerstand der IT-Abteilungen gegen Fremdentwicklungen ist so gross, dass eine Kooperation oder Integration nicht stattfinden. Das sehe ich als das grösste Hindernis für die digitale Transformation des Finanzplatzes Schweiz an.
Welche Rolle spielt CREALOGIX bei den Neobanken?
Wir entwickeln Plattformen wie die der DKB, wir entwickeln aber auch Frontends für Flanking Brands oder digitale Beratungslösungen. Dabei sind unsere Kunden nicht mehr hauptsächlich die Informatikabteilungen, sondern in den letzten Jahren vermehrt das Business. Dieses entscheidet, welche Investitionen getätigt werden, um neue Zielgruppen anzusprechen, bestimmte Märkte zu bedienen oder neue Funktionen anzubieten. Hier sind wir neu der Partner der Banken.
Ihr Ansprechpartner ist neu das Business?
Wir sind in einer Welt zu Hause gewesen, in der die IT der zentrale Ansprechpartner war. Seit drei bis vier Jahren sprechen wir vermehrt mit dem Business. Sie machen die Vorgaben für beispielsweise ein neues Frontend. Die IT entscheidet dann, ob das Budget für eigene Entwicklungsressourcen, einen Partner oder einen Lieferanten wie uns verwendet wird. Wenn das Business aber das Budget selbst verantwortet, ist die IT nicht immer der erste Ansprechpartner.
Das Open Banking gilt als eines der Wachstumsfelder für CREALOGIX. Welche Rolle spielt Open Banking in der Schweiz?
Open Banking ist generell eine hervorragende Chance für Banken, viel erfolgreicher zu sein als heute. Das eben genannte Ökosystem der DKB ist ein Musterbeispiel: Banken und Fintechs vereint auf einer Plattform, um den Konsumenten den grösstmöglichen Mehrwert zu bieten. Denn das Ziel von Open Banking lautet: Der Kunde steht im Zentrum. Er entscheidet, wer seine Finanzdaten verwaltet, seine Anlagen managed und auch seine Vorsorge sichert. Damit muss sich nicht einmal viel verändern aus Kundensicht: Die Hausbank kann weiter die Konten führen und die Finanzen verwalten. Neu kann sie aber auch die Informationen von Fremdkonten einsammeln und dem Kunden auf einer Finanzplanungsansicht präsentieren.
Die Open-Banking-Implementierungen waren sicher lukrativ. Aber allenfalls nicht so sehr spektakulär. Gibt es ein Projekt, das Sie wirklich begeistert hat?
Da gäbe es einige. Faszinierend fand ich aber den Eintritt in einen für uns vollkommen neuen Markt. Wir haben uns an einer Ausschreibung für eine Plattform für Förderbanken beteiligt und konnten uns gegen die Wettbewerber durchsetzen. Eine Kooperation aus sieben Förderbanken hat Crealogix ausgewählt, weil sie unsere Banking-Plattform überzeugend fanden, sie sich bei uns fachlich und bezüglich Sicherheit gut aufgehoben fühlten und sie unsere hohen Standards schätzen. Für uns war das Geschäft mit den Förderbanken allerdings in diesem Umfang neu.
Welche Lösung haben Sie für die Förderbanken realisiert?
Für die Förderbanken von sechs deutschen Bundesländern haben wir eine einzige Plattform aufgebaut, in der die verschiedenen Anforderungen für die Fördermittel der sechs Länder hinterlegt sind. Denn beispielsweise braucht es je nach Bundesland unterschiedliche Anforderungen für Fördermittelanträge für Wohnungsbauförderung oder Existenzgründungsdarlehen. Diese Fälle sind abgedeckt auf der modularen Plattform, die sich beliebig um andere Länder oder auch Förderzwecke erweitern lässt. Zunächst starten wir aber mit den sechs Kunden, für die wir die Plattform während der nächsten zehn Jahre betreiben, managen und warten dürfen.
Für mich ist dieser Kunden-Case deshalb so bemerkenswert, weil er erstens musterhaft für unser neues Geschäftsmodell steht: eine Plattform im „as a Service“-Modus, die uns nun wiederkehrende Erlöse einspielt. Zweitens zeigt der Case, dass wir innerhalb von nur zwölf Monaten einen vollkommen neuen Kundenkreis erschliessen und bedienen können. Wir haben zwar auch viel investiert, sehen aber zum Beispiel allein in der EU eine Zielgruppe von mehr als 250 Förderinstituten.
Welche konkreten Pläne hat Crealogix für die Zukunft?
Aktuell entwickeln wir zusammen mit dem Technologie-Partner IBM eine Lösung für das „Conversational Banking“. Die künstliche Intelligenz „Watson“ kann Banken dabei helfen, den Kundendienst zu verbessern und zu verschlanken. Ebenfalls wird „Watson“ den Berater unterstützen, wenn dem Kunden komplexe Anlageprodukte präsentiert werden sollen.
Die Schweizer Banken sind allerdings noch etwas zurückhaltend, ihre Kunden mit einer KI zu konfrontieren. Selbst einfache Anwendungen wie eine Bankkartenbestellung oder eine Umzugsanzeige, bei denen die KI eine grosse Hilfe sein könnte, werden hierzulande derzeit noch zu selten genutzt. Dabei könnten mindestens ein Drittel der Kosten eingespart und fast 90 Prozent der Standard-Anfragen vom Computer beantwortet werden und das 24/7.
Das vollständige Interview, verfasst von Mark Schröder von Neue Mediengesellschaft Zürich, finden Sie auf der Website von „Computerworld“.